In der südlichen Ägäis laufen die Uhren gefühlt langsamer. Auch auf der Insel Astypalea, die wegen ihres Umrisses als „Schmetterling der Ägäis“ bezeichnet wird. Bergig mit steinigen Stränden. Die überwiegend hüfthohe Vegetation ergrünt im Frühling und trocknet im Verlauf des Sommers hin zu einem Braunton. Astypalea liegt, auch im Vergleich zu anderen Inseln, abgelegen: Die Fährfahrt ab Piräus dauert rund 10 Stunden. Auf dieser Insel haben Volkswagen und der griechische Staat ein Modellprojekt gestartet: Die Transformation zur smarten, nachhaltigen Elektroinsel. Elektroautos wie der ID.3 und der ID.4, Elektroroller der Marke Seat MÓ, Elektrofahrräder und ein emissionsfreies Nahverkehrssystem sollen den Inselverkehr dekarbonisieren.
Griechische Polizei testet ihre neuen ID.4 Pilotprojekt zur ersten CO2-neutralen Insel

Volkswagen und der griechische Staat gestalten die Ägäis-Insel Astypalea zur nachhaltigen Elektroinsel um. So erleben Astypaleas Beamte die ersten Tage mit ihren neuen ID.4.
Diese Vision wird im Frühsommer 2021 erstmals vor Ort greifbar: Volkswagen CEO Dr. Herbert Diess übergibt am 2. Juni 2021 drei speziell ausgerüstete ID.4 an die lokale Polizei, die Küstenwache und die zivile Luftfahrt. Weitere Fahrzeuge folgen wenig später. Mit nur einer Akkuladung (52 kWh) können sie die Strecke vom Strandabschnitt Paralia Vatses im Südwesten bis zu den antiken Ruinen im Nordosten (rund 30 Kilometer) mehr als elf Mal absolvieren.


Synchronmotoren mit 109 kW (148 PS) schieben die ID.4 souverän durch die bergigen Passagen. Die gleiche Antriebsvariante wird auch im Förderprogramm der griechischen Regierung für die Bürger von Astypalea zur Verfügung stehen. Der griechische Staat unterstützt die Bürger Astypaleas mit attraktiven Prämien bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen.
Was Astypalea für das Modellprojekt prädestiniert, ist neben der überschaubaren Einwohnerzahl die geringe Komplexität und Geschlossenheit des Verkehrssystems. Von außen kommen kaum fremde Fahrzeuge auf die Insel. Der Verkehr findet zudem zum Großteil auf einer einzigen, gut ausgebauten Straße statt. Sie verbindet den Hauptort etwa mit dem kleinen Dorf Livadi, in einem grünen Tal unterhalb des Stausees gelegen. Hier führt die Hauptstraße direkt am baumbeschatteten Strand vorbei, eine Nebenstraße erschließt grüne Gärten weiter oben am Berg.
Richtung Nordosten schlängelt sich die Straße in unzähligen Kurven über die gesamte Insel. Kurz hinter dem Campingplatz führt eine Stichstraße zum neuen Fährhafen. Er wurde auf der dem Hauptort gegenüberliegenden Inselseite errichtet, da der alte Hafen in Chora bei starkem Wind oft nicht angefahren werden kann. Einige Kilometer weiter, genau zwischen den „Schmetterlingsflügeln“ Astypaleas, befindet sich der Flughafen, etwa 12 Kilometer von Chora entfernt. Danach führt die Straße weiter in den sehr dünn besiedelten, nordöstlichen Inselteil.

Die weiteste Strecke: 35 Kilometer und zurück
Regionale Gegebenheiten wie diese hat der griechische Volkswagen Generalimporteur Kosmocar im Vorfeld genau untersucht. Die Kosmocar-Produktexperten sind nach Testfahrten überzeugt: Auf Astypalea beträgt die Reichweite des ID.4 Pure im Regelfall rund 484 Kilometer. Für die Differenz zum gemittelten WLTP-Normwert von 345 Kilometern gibt es zwei Hauptgründe: Auf jede der zahlreichen Steigungen folgt ein Gefälle, auf dem Elektroautos über die Rekuperation Strom zurückgewinnen. Hinzu kommt die niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit: Selbst auf der Hauptstraße fahren Autos maximal 55 bis 60 km/h schnell.
Es sei zu erwarten, dass die Polizei- und Hafenpolizeifahrzeuge etwa einmal pro Woche aufgeladen werden müssten, sagt ein Kosmocar-Vertreter. Die Luftfahrtbehörde werde ihren ID.4 voraussichtlich noch seltener laden. Bei einer Inselfläche von 96 km² beträgt die weitestmögliche Strecke, die die Einsatzfahrzeuge am Stück zurücklegen, nur rund 35 Kilometer. So weit ist der Weg vom Hauptort Chora mit einem Abstecher zum Fährhafen und vorbei am Flughafen bis zum kleinen Dorf Vathis am anderen Ende der Insel.


Kurz vor Vathis endet die ausgebaute Straße und windet sich als unbefestigte, sogenannte „Dirt Road“ den Hang hinunter, vorbei an Bauernhöfen und einem weitgehend von Land umschlossenen Meerwasserbecken hin zu den abgelegensten bewohnten Flecken Astypaleas. Bei langsamer Fahrt wirbelt rotbrauner Staub auf. Große Felsbrocken liegen am Wegesrand, kleine Steinchen prasseln gegen den Unterboden.
Solche Pfade abseits der Hauptstraße gibt es viele auf Astypalea. Auch wenn einige dieser Straßen, die oft zum Strand hin steil abfallen, Touristen immer wieder vor fahrerische Herausforderungen stellen: Sie sind für Elektrofahrzeuge wie den ID.4 gut befahrbar. Das elektrische Crossover verfügt neben einer erhöhten Bodenfreiheit auch über einen robusten Unterbodenschutz. Mit ihrer Sandwichbauweise ist die Batterie der Fahrzeuge der MEB-Familie zudem gut geschützt.
Umrüstung zum Polizeifahrzeug
Bei den von Volkswagen an die Behörden Astypaleas übergebenen ID.4 handelt es sich um die ersten rein batterieelektrisch angetriebenen Polizeiautos Griechenlands. Sie entsprechen in allen Spezifikationen den Anforderungen der griechischen Behörden. Die Umrüstung erfolgte beim Spezialisten Systemtec im Norden Athens. Die Firma ist auf solche Umbauten von Fahrzeugen im Auftrag der griechischen Behörden spezialisiert.

Zu den Ein- und Umbauten gehören die offizielle Folierung in den Dienstfarben der jeweiligen Behörde ebenso wie die Ausstattung der Fahrzeuge mit spezieller Funktechnik und eine Anbindung an die staatlichen Datensysteme. Ansonsten entsprechen die ID.4 dem Serienstand. Kostenpunkt der Umrüstung: rund 5.000 Euro pro Fahrzeug.

Schulungen und ausführliche Testfahrten
Für die Beamten von Astypalea ist die Elektromobilität meist etwas Neues. Daher werden sie umfassend geschult und lernen alles Wissenswerte zur Technologie und zum Umgang mit einem Elektroauto.
Gut gerüstet für den Dienst zeigen sich die Mitarbeiter der lokalen Verwaltung beeindruckt: Das Fahrgefühl sei exzellent, erzählt ein Beamter. Der ID.4 beschleunige kraftvoll, fahre sehr komfortabel und sei leicht zu bedienen. Ein Kollege ergänzt: Der ID.4 biete viel Platz für die Ausrüstung, die die Beamten bei ihrer täglichen Arbeit mit sich führen müssen.

Neben den Vorteilen im Alltag bringt der Elektroantrieb eine Kostenersparnis mit sich, erläutert ein Verwaltungsmitarbeiter: Da Benzin und Diesel mit dem Schiff auf die Insel transportiert werden müssen, sind Kraftstoffe auf Astypalea teuer. Benzin kostet hier im Schnitt 25 Prozent mehr als auf dem griechischen Festland. Mit Strom fahren die Inselbehörden deutlich günstiger.
Gewöhnen müssen sich die Beamten noch an die Abmessungen ihrer ID.4, die größer sind als ihre bisherigen Einsatzfahrzeuge. Vor allem beim Rangieren und Parken in schmalen Straßen. Ein großes Problem sei das nicht, versichern sie schnell und ergänzen: Neben der „High-Tech“-Anmutung gefalle ihnen der Qualitätseindruck der Fahrzeuge besonders. „Alles fühlt sich hochwertig an, stabil konstruiert und robust“, sagt ein Mitarbeiter.
Zusätzlich zu den ID.4 verfügen die Behörden inzwischen über drei weitere Elektrofahrzeuge: Mit den Elektro-Scootern der Seat-Submarke Seat MÓ können sich die Beamten elektrisch auch durch engste Gassen bewegen. Später folgt ein E-Crafter als Krankentransporter für das lokale Gesundheitszentrum. Die Elektrifizierung der kommunalen Fahrzeugflotte auf Astypalea ist in vollem Gange.


Projekt Astypalea
Gemeinsam mit der griechischen Regierung hat der Volkswagen Konzern auf Astypalea ein ehrgeiziges Projekt gestartet: Der Verkehr auf der Ägäis-Insel wird so weit wie möglich auf E-Mobilität umgestellt. Das umfasst das öffentliche Verkehrssystem, Fahrzeuge von Behörden und Unternehmen sowie die Privatfahrzeuge der Einwohner. Gleichzeitig entsteht ein flächendeckendes Ladenetzwerk aus privaten und öffentlichen Ladestationen. Ein Highlight sind die neuen Carsharing- und Ridesharing-Dienste, die den öffentlichen Nahverkehr auf der Insel modernisieren werden. Ein Großteil des Strombedarfs für Haushalte, Unternehmen und Verkehr wird künftig durch Wind- und Solaranlagen gedeckt, die die griechische Regierung auf der Insel installieren wird. Die Elektroflotte wird vollständig mit Ökostrom betrieben.