„Typisch norddeutsches Wetter“, sagt Dirk Jibben mit einem Lachen. Der Teamsprecher im Volkswagen Werk Emden lässt sich seine gute Laune vom fehlenden Blau am Nachmittagshimmel nicht vermiesen. Stellvertretend für die rund 8.000 Mitarbeitenden im Werk steht Jibben zusammen mit seiner Kollegin und Meistervertreterin Stephanie Lorenz vor dem Trainingsgebäude, um aus der Perspektive der Belegschaft einen Einblick in den größten Transformationsprozess der Werksgeschichte zu geben.
Produktionsstart des ID.4 im Werk Emden 60.000 Trainingstage für die Elektromobilität

Das Volkswagen Werk Emden befindet sich im größten Transformationsprozess seiner Geschichte. Eine Milliarde Euro fließt in den Standort, um ihn auf die Produktion von Elektroautos vorzubereiten. Ein Meilenstein ist die Serienproduktion des vollelektrischen ID.4, die am 20. Mai beginnt. Bei der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzt Volkswagen auch auf unkonventionelle Methoden wie Escape Rooms. Ein Blick hinter die Kulissen.
Emden als Leuchtturmprojekt der Elektromobilität

„Die Transformation und der Wechsel zur E-Mobilität sind für Emden sehr wichtig“, weiß Jibben. Volkswagen investiert eine Milliarde Euro in diese Entwicklung. Ziel ist es, nachhaltige Elektrofahrzeuge in einer umweltfreundlichen Produktion zu fertigen – ein wichtiger Schritt für das Unternehmen auf seinem way to ZERO, dem Weg zur Klimaneutralität.
Im Werk Emden laufen dafür konkrete Projekte wie die Nutzung bodennaher Geothermie durch „Energiepfähle“, eine energieeffiziente Heizung, betrieben mit Fernwärme aus einem Biomassekraftwerk, und die Nutzung von regenerativen Energiequellen. Auf den Hallendächern wird Solarenergie gewonnen. Auf dem Werkgelände stehen Windkraftanlagen. Die Initiative „no plastics“ hilft, Plastikabfälle in der Produktion deutlich zu reduzieren. Seit dem vergangenen Jahr wurden bereits mehr als 6 Tonnen Plastikverpackung eingespart.
Die Dekarbonisierung von Produktion und Lieferkette sowie die Umstellung auf Elektromobilität gehen dabei Hand in Hand – und so entsteht in Emden eine der modernsten Fabriken der Automobilindustrie und ein Leuchtturmprojekt der Elektromobilität. Den Anfang der Produktion von E-Fahrzeugen macht ab 2022 die Fertigung des ID.4, mit der Volkswagen zusätzliche Kapazitäten für das Erfolgsmodell schafft. Ab 2023 soll der ebenfalls vollelektrische Aero B, ein Modell in der Größe des Passat, als Limousine und Kombi vom Band laufen.
60.000 Trainingstage für die Belegschaft
Bis dahin fällt noch der ein oder andere Regentropfen auf die Werkshallen an der Niedersachsenstraße in Emden – direkt am Dollart und der Nordseemündung der Ems. Die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter startet mit einer Sensibilisierung zum Thema Elektromobilität und endet mit individuellen fertigungsnahen Trainings. Insgesamt werden die Beschäftigten bis zum Start der Produktion weit über 60.000 Trainingstage absolviert haben.



In einem Trainingsgebäude sind dafür mehrere Stationen vorgesehen. Außerdem gibt es eine stehende Fertigungslinie, an der die neuen Handgriffe in einzelnen Schritten erlernt werden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungewohnt ist vor allem der Umgang mit den Teilen und Komponenten des Elektroantriebs. „Die ganze Verkabelung ist anders, aber die macht ein Elektrofahrzeug eben aus“, sagt Stephanie Lorenz.
Sie steht an einer der Übungswände im Trainingszentrum und folgt den Ausführungen. Aufgebaut sind Wände mit verschiedenfarbigen Anschlüssen. Gestenreich erklärt der Coach die Unterschiede der verschiedenen Steckverbindungen. Lorenz greift den richtigen Stecker und klickt diesen in die vorgesehene Steckverbindung. Drei Lämpchen leuchten grün auf und signalisieren ihr den Erfolg. Doch nicht nur die konkreten Bauteile und ihre Verwendung sind Gegenstand der Schulung.
Escape Room statt Seminarraum
Alles beginnt spielerisch. Im Escape Room. Hier muss ein Team zusammen Hinweise entdecken, Rätsel lösen und Aufgaben erfüllen, um ein Ziel in vorgegebener Zeit zu erreichen. In Emden sind es drei Räume, die unterschiedliche Themenfelder abdecken. So lernen die Teilnehmenden viel über die Elektrifizierung, aber auch über die Modellgeschichte und die Historie von Volkswagen.

„Der Escape Room hier im Trainingszentrum macht Spaß“, berichtet Lorenz. „Man muss sich erst mal zurechtfinden, aber so lernt man auch die Geschichte des Unternehmens noch besser kennen – wie hat alles angefangen und sich weiterentwickelt, mit welchem Modell sind wir gestartet und wo stehen wir heute.“
Dirk Jibben war von dieser kreativen Lösung gleich begeistert. „Ich war einer der Ersten, die in den Escape Room durften. Im Vorfeld hat niemand etwas verraten, es wurde immer geheim gehalten und als ich drin war, war ich begeistert von den Eindrücken. Das war wirklich cool.“
Zentrales Element ist Teambuilding: Dazu stellen sich vier Personen an gegenüberliegenden Seiten einer Plexiglasbox auf. Über Drähte halten und balancieren sie einen Magneten, mit dem sie als Team sieben Teile eines Puzzles zusammensetzen müssen. Geduld, Koordination und Zusammenarbeit sind hier gefragt.

Jibben übernimmt die Führung und gibt Tipps, wer wann wie stark ziehen oder loslassen muss. Nach kurzer Eingewöhnung agiert die kleine Gruppe gemeinsam und Absprachen führen zum Erfolg. „Über den Escape Room darzustellen, dass man als Team zusammenarbeiten muss, um einen Prozess vernünftig weiterzuführen, das fand ich richtig gut“, sagt Jibben.
Modellbauhallen zeigen den Umbau des Werkes
Geschult wird aber auch außerhalb des Escape Rooms. An einem Tisch mit Modellteilen lernen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles über den äußeren Umbau ihres Werkes. Seit November 2018 bereitet sich der Standort auf die Elektromobilität vor.

Eine neue Montagehalle bildet den Kern der künftigen E-Fahrzeug-Produktion. Sie ist so groß wie acht Fußballfelder und mit einer effizienten LED-Lichttechnik mit Tageslichteigenschaften ausgestattet. Dank moderner Fördertechnik, ergonomischen Arbeitsplätzen und vollautomatisierten Fertigungsprozessen steht die Montagehalle für eine zukunftsweisende und nachhaltige Automobilproduktion.
Wissenstransfer aus Zwickau als Katalysator
Eng ist der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Werk Zwickau, in dem seit 2020 nur noch Elektrofahrzeuge produziert werden. „Wir kommen aus der Verbrenner-Welt und hatten bisher das Know-how aus der E-Mobilitätsproduktion noch nicht – nur über den Hybrid, den wir hier im Werk auch schon gebaut haben. Deswegen war und ist der Austausch mit Zwickau sehr wichtig“, sagt Jibben.


Ein früher Wissenstransfer aus Zwickau, kreative Schulungsräume und der Lernprozess an der Produktionslinie bilden das Grundgerüst für die Transformation in Emden.
„Volkswagen setzt auf die Elektromobilität. Das ist die Zukunft im Automobilbereich“, sagt Stephanie Lorenz. Ähnlich wie bei den Schulungen kommt auch beim elektrischen Fahren die Freude nicht zu kurz. Dirk Jibben hat es ausprobiert: „Das geräuschlose Fahren und die zügige Beschleunigung machen richtig viel Spaß.“